Prolog - Kurzer Rückblick
Seit 2003 bin ich Praxislehrer der FHNW. Bis 2010 auch für HEPBEJUNE. Während diesen 15 Jahren veränderte sich die Professionalisierung zum Lehrerberuf wohl ähnlich heftig, wie mein Unterrichten selbst, wenn auch auf ganz andere Weise. Während vor 15 Jahren noch Generalisten aus der Pädagogischen Hochschule ins Berufsleben entlassen wurden, sind es heute Spezialistinnen, die in ihrem Studium Schwerpunkte in Wahlangeboten setzen mussten und ganze Fachbereiche abwählen mussten. Ich will das nicht werten, das hat bestimmt auch seine Vorteile. Während vor 15 Jahren ich mit meinen SuS für einzelne Sequenzen in den Computerraum ging, um sie dort vor allem mit Lernprogrammen ab CD-Rom arbeiten zu lassen, hat heute jede Schülerin / jeder Schüler sein personalisiertes iPad. Das hingegen will ich werten, das ist grundsätzlich nicht nur richtig, sondern notwendig (aber darüber vielleicht ein anderes Mal ausführlicher). Praktikantin und ihre Technik Nun kam eine Studentin der FHNW während 3 Wochen als Praktikantin ins Basispraktikum P1 in meine Klasse. Das Coplanning im Voraus zum Praktikumsstart mit Pages funktionierte nicht, da die Praktikantin keinen Mac hatte. Hingegen funktionierte es grundsätzlich mit Word, da auch hier das Dokument zur Bearbeitung freigegeben werden konnte. Leider brachte die Studentin einen veralteten Computer mit. Nachdem mit Verlängerungskabel der Strom zum Arbeitstisch gezogen war - der Akku ihres Laptops ist schon lange kaputt - dauerte es gefühlte 10 Minuten bis der Computer gestartet war, bei der FHNW eingeloggt, das Word gestartet und das Virenschutzprogramm abgewürgt war, ebenso die Microsoft Updates, welche wohl schon seit Wochen darauf warteten, ausgeführt zu werden. Immerhin hatte sich der Laptop zu Beginn problemlos mit dem Internet unserer Schule verbunden. Schliesslich war die Technik endlich bereit, die Email mit meiner „Einladung“ zur Kollaboration mit der Planungsmappe im Word zu öffnen. Dummerweise öffnete die Studentin meine Email, welche ich ihr bereits vor 2 Wochen schickte, bis dato noch noch nicht und die Suche in ihrer chaotischen Email-Struktur war nicht gerade förderlich für ein schnelles Finden. Kommt hinzu, dass die Studentin die Computermaus zu Hause vergessen hatte und sich der Trackpad zickig zeigte - „es ist halt ein alter Computer“. Ich merkte, dass die Studentin sich nicht mit Shortcuts auskennt, was das Kopieren, Ausschneiden und Einsetzen zu einer feinmotorischen Fingerübung auf dem kaputten Trackpad machte. Schliesslich war wir technisch fürs Coplanning bereit. Praktikantin betritt Neuland Das iPad ist für die Studentin komplettes Neuland. So fehlten ihr die Anwendungskompetenzen und es zeichnete sich ab, dass sie in den kommenden 3 Wochen diesbezüglich viel zu lernen haben würde, geschweige denn, die diversen Apps kennen zu lernen. Mir wurde klar, dass es ihr im besten Falle ansatzweise gelinge wird. Meine SuS schrieben ein Lernjournal in Seesaw, Arbeitsprotokolle mit Fotos und Filmaufnahmen in Pages, Lernprogramme in Mathematik, usw. Noch schwieriger wurde es für meine Praktikantin, die webbasierten Applikation kennen zu lernen, welche ein persönliches Login brauchen, wie Antolin, Mindsteps, eWolke, usw., da sie dazu keinen Zugang hatte. Als weiteres Hindernis waren die von mir gekauften Lizenzen digitaler Lehrmittel, z.B. beim Lehrmittelverlag Zürich. So hatte ich das Lehrermaterial von NaTech und Connected nur in digitaler Form, und nur mit persönlichem Login zur Verfügung. Sollte ich ihr meine Login-Daten aushändigen? Schlechte Idee, zumal ich Administrator unserer Schule bin, da mochte ich sie nicht reinlassen. Das erschwerte ihre Unterrichtsvorbereitungen und unser Coplanning sehr. Fazit Mit diesem Resüme geht es mir nicht darum, meine Praktikantin zu kritisieren, sie machte ihre Sache soweit gut. Vielmehr wollte ich aufzeigen, welche Stolpersteine die digitale Transformation innerhalb meines Arbeitsumfeldes in Bezug auf meine Tätigkeit als Praxislehrer der FHNW mit sich bringt. Ich bin u.a. ein Apple Teacher, praktiziere einen mediengestützten Unterricht in einem 1:1 Setting und merke, dass es für meine Studentinnen und Studenten zunehmend schwieriger wird, in meiner Klasse ohne meinen „technischen“ Support zu unterrichten. Es zeigte sich auch, dass an unserer Schule die Mittel fehlen, Praktikantinnen und Praktikanten technisch adäquat der Klassenlehrperson auszustatten, um ihnen ein autonomes Unterrichten zu ermöglichen. Meine Schule ist auf dem Weg zu einer „Profilschule Informatische Bildung“, heisst, die digitale Transformation schreitet voran. Wollen wir auch künftig Praxisplätze anbieten können, müssen wir diesbezügliche Lösungen parat haben. Es bleibt auch abzuklären, ob es der Fachhochschule in Zusammenarbeit mit Imedias künftig möglich ist, bei Bedarf die Studentinnen und Studenten für die Zeit ihres Praktikums mit den notwendigen Devices auszustatten. Und nicht zuletzt: Die Fachhochschulen müssen Basiskompetenzen im Bereich neuer Medien voraussetzen, in den Professuren selbst ihre eigene Methodik und Didaktik mit den digitalen Möglichkeiten vorbildlich ergänzen, im Transfer von der Theorie zur Praxis mögliche Szenarien aufzeigen und diese durch die Studentinnen und Studenten weiter entwickeln lassen.
1 Comment
Matthias Schweizer
3/22/2019 11:59:01 pm
Spannender Artikel! Die Situation mit der Praktikantin veranschaulicht sehr schön DIE Hürde bzgl. Einsatz von digitalen Medien in der Schule. M. E. Ist diese Hürde nicht die mangelnde Ausrüstung und Anwenderkompetenz, sondern die mangelnde Kompetenz und Ausdauer, Schwierigkeiten bzgl. technischen Geräten/Umgebungen zu lösen oder zu umgehen.
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AutorDominik Kohler Archiv
October 2022
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