Auslegeordnung Pädagogik:
Ich stellte mir die Frage, was der Sinn und die Ziele eines Fernunterrichts im Fokus auf Zyklus 2 sein könnten. Es kann nicht sein, dass die SuS Arbeiten im klassischen Sinn bekommen. Vergessen wir den Anspruch einer Beschulung, vergessen wir willkürlich zusammengestellte Sammlungen von Arbeitsblättern, welcher die Lehrperson zu korrigieren hat und der / die SoS verbessern und abarbeiten muss. Vergessen wir also Unterricht im herkömmlichen Sinn und lasst uns anders denken, in dem wir uns folgende Ausgangslage als sehr wahrscheinlich vor Augen führen: Wir sehen unsere SuS möglicherweise frühestens nach den Sommerferien wieder im Schulunterricht. Auch wir Lehrpersonen dürfen wohl infolge Ausgangssperre für einige Zeit die Schule nicht mehr besuchen. Wir suchen also nicht nach Lösungen, wie wir 2 oder 3 Wochen überbrücken können. Denn dann könnten wir unsere SuS auch im „Ferienmodus“ lassen. Wir müssen ein Lernkonzept für mindestens 3 - 4 Monate entwickeln. Wir müssen den SuS, welche nun durch schulfrei gewordene Zeit plötzlich viel mehr Freizeit haben, in ihrer Freizeit einen Freiraum zum Lernen bieten. Wir müssen kompetenzorientierte, selbstwirksame und strukturierte Lernsettings anbieten, welche ein hohes Mass an individuelle Verarbeitung zulassen. In der Umsetzung des Lernsettings sind die SuS zwingend mit einzubeziehen, denn die häuslichen Voraussetzungen sind sehr heterogen. Dazu können ergänzende, dem Schulstoff naheliegende Arbeiten angeboten werden, um dem Wissensdurst und Lernhunger einzelner SuS Rechnung zu tragen. Und ja, stehen wir dazu: Es entsteht ein Bildungsknick. Und auch dieses Lernangebot schafft Chancenungleichheit, aber das ist auch bei der Beschulung nicht anders. Weitere Gedanken dazu sind u.a. auf der Website der pädagogischen Hochschule Schwyz durch Beat Doebeli treffend zusammengefasst: https://mia.phsz.ch/Lernentrotzcorona/WebHome Auslegeordnung Technik: Jede Schule muss ihr Inventar an Technik sinnvoll einsetzen. An meiner Schule haben alle SuS der 5. & 6. Klassen ein personalisiertes iPad. Zusätzlich haben wir 60 iPads in Koffern und ebenso 60 MacBooks. Zudem sind weitere 70 iPads zum Kauf geplant. Hier gilt zu klären, wie schnell diese lieferbar wären. Wir könnten also innert weniger Tagen klären, welche SoS zu Hause kein eigenes Device haben und diese mit unseren „vorrätigen“ Devices ausrüsten. Unsere SuS ab 3. Klasse haben bereits einen personalisierten Zugang zur eWolke (Cloud-Dienst). Die Nutzungsvereinbarungen sind bereits geschrieben, müssten jedoch angepasst werden. Da zudem alle Geräte bereits im MDM eingebunden sind, denke ich, könnten wir das innerhalb einer Woche schaffen, so dass ab Woche 2 alle SuS ab 3. Klasse über ein Device mit der Klassenlehrperson verbunden sind. Während Woche 1 müssten die Lehrpersonen geschult werden. Ziel: Die Lehrpersonen können ab Woche 2 mit ihren SuS über ein Device synchron und asynchron in Kontakt kommen. Eine Schulung würde folgende Schwerpunkte beinhalten:
Erste konkrete Erfahrungen: Vor etwas mehr als 1 Woche begann ich mit den SuS meiner 6. Klasse mögliche Formen des Fernunterrichts auszuprobieren. Vergangenen Freitag schliesslich waren wir soweit: Um 13:00 verabredeten wir uns im Live-Chat „Kohler‘s Klassenzimmer“. Ziel dieses Synchronen Austausches war, Erfahrungen mit dieser Technik zu gewinnen. Wir nutzten dazu am iPad die App Nextcloud Talk. Es stellte sich heraus, dass man in dieser Videokonferenz leider nicht alle 17 TN gleichzeitig sehen kann. Die Technik liess uns da im Stich, evtl. infolge zu langsamer Internetleitung. Jedoch funktionierte die Audiokonferenz perfekt. Als Klassenlehrer musste ich hier die Rolle des Moderators übernehmen, denn wenn alle gleichzeitig reden, versteht niemand mehr was. Nach 20 Minuten kamen wir zu folgender Erkenntnis: Videokonferenz mit allen SuS klappt nicht und ist auch nicht sinnvoll. Videokonferenzen werden künftig im individuellen Austausch und Kontakt zwischen Lehrperson und SoS eingesetzt. Zudem lässt es die App Nextloud Talk zu, dass man zwischen den beiden Kameras wechseln kann, denn die Selfiekamera lässt Wandtafel-, Flipchart- oder ähnliche Notationen spiegelverkehrt darstellen. Für synchrone, lehrerzentrierte Lernsettings prüfte ich später die Dienste von Webex. Webex überzeugte mich, die SuS können mich sehen und hören, sie können ihre Kamera dabei ein- oder ausschalten, ich kann mein Device auch meinen Bildschirm freigeben und vieles mehr. Da alle unsere SuS über das MDM bereits eine verwaltete Apple-ID haben, können sie sich von jedem beliebigen Device mit dieser anmelden. Das gute dabei: mit der verwalteten Apple-ID könne die SuS selber keine eigene Moderation eröffnen, sondern nur einem Meeting beitreten. Und auch gut: Mein „virtuelles“ Klassenzimmer behält immer dieselbe Meeting-Nummer, auch wenn ich mich auslogge und tags darauf wieder einlogge. Der Austausch von Materialien kann asynchron verlaufen. Dazu stehen uns 2 Apps zur Verfügung. Einerseits unsere Cloud - die eWolke - mit einem Klassenordner sowie für alle SuS und LPs einen Privaten Ordner, andererseits die App Seesaw, welches eine Alternative zur App learningview ist. Mit Seesaw hat man sämtliche Möglichkeiten des Austausches: Videos, Bilder, Dokumente, Links, Audioaufnahmen, … Die Einladung zu Meetings kann über die App Kalender erfolgen. Hier habe ich mit den SuS bereits seit der 5. Klasse einen Hausaufgabenkalender geteilt. Darüber lassen sich auch Arbeitsmaterialien austauschen, ist jedoch etwas eingeschränkt. Fazit: Wollen wir unseren SuS einen Fernunterricht anbieten, müssen wir folgendes beachten:
Und wie soll ein Fernunterricht konkret ablaufen? Hier ein möglicher „Stundenplan“ der ersten 3 Tage: KW 12: Die Technik wird bereitgestellt, die SuS werden über Telefon, Nextcloud Talk, Seesaw und Kalender auf den Workflow vorbereitet. Meetings über Webex werden übungshalber einberufen, technische Fragen werden geklärt. Ende KW 12 sind wir mehr oder weniger parat. KW 13: Montag 08:50 Einloggen zum Meeting, individueller Austausch 09:00 Meeting: Wir singen gemeinsam Klassenlieder, spielen Mundharmonika. 09:20 Austausch: Klassenlehrer moderiert: Wie geht es euch heute? Was geht in euch vor? (Anmerkung: diese Sequenzen werden in der Folge Ritual genannt) 09:40 Padlet: Im Kalender steht ein Link bereit zum heutigen Padlet mit der aktuellen Frage von heute: Wie geht es dir heute? Worüber machst du dir im Zusammenhang mit dem Coronavirus Sorgen? Bitte kommentiere auch die Äusserungen deiner Mitschüler_innen. Bleibt bis 10 Uhr im Padlet. Danach macht ihr bis etwa 10:30 Pause. 10:30 Individuelle Arbeit in der App BookCreator. Mache ein neues Buch. Es soll dein persönliches Tagebuch werden. Schreibe, zeichne, hänge Fotos und Artikel hinein, mache Audioaufnahmen und so weiter. Halte möglichst vieles fest, was dich am heutigen Tag wichtig erscheint. Vergiss nicht ein Titelblatt zu gestalten und für jeden Tag das Datum zu setzen. Nimm dir dafür bis 11:30 Zeit. Wenn du magst, darfst du natürlich länger arbeiten. Beachte: Das Tagebuch ist „offen“, heisst: du wirst es anderen zum Lesen und Anschauen geben. Dienstag 08:50 Ritual 09:40 Lehrer geht auf einzelne Notationen im Padlet ein, stellt ggf. Rückfragen oder nimmt Anteil. 09:50 Mach von deinem Tagebuch Screenshots und lade diese aufs heutige Padlet. Du findest den Link wiederum im Kalender. Ich zeige euch jetzt Schritt für Schritt, wie das geht. Schaut gut zu (im Webex die Funktion Bildschirm anzeigen nutzen). 10:00 Wir machen jetzt 20 Minuten Pause, gehen offline. Dann treffen wir uns wieder im Meeting. 10:20 Ladet jetzt eure Screenshots vom Tagebuch in Padlet. Ich schau euch mal zu, wie ihr das macht. Können wir uns dabei gegenseitig helfen? 10:40 So, ich denke, das genügt mal, ihr dürft gerne später weitermachen. Schauen wir uns mal einige „Tagebuch-Einträge an“ und geben Feedback. 11:00 Ich bitte euch nun, offline zu gehen und beginnt am neuen Tagebucheintrag. Arbeitet bitte bis 11:30 daran. Wer mag, darf mir den Screenshot auf Seesaw laden. Gerne schaue ich mir diese an und gebe einen kurzen Kommentar dazu. Wir treffen uns wieder um 13:30 im Meeting, so steht es auch im Kalender. Ich mache einen Input zu unserem Mathethema „Brüche und Rechnungen“. 13:20 Einloggen zum Meeting, individueller Austausch 13:30 Input „Brüche und Rechnungen“. Ich stehe vor Wandtafel oder Flipchart, die SuS machen sich Notizen ins Heft. Der Input wird von mir aufgenommen (machte ich schon zu Unterrichtszeiten so = Videotutorial) und stelle es im Anschluss auf Seesaw. 13:45 Die SuS arbeiten gemäss ihrem Matheplan. Ihre Arbeiten mit Screenshot auf Seesaw geladen werden von mir gesichtet und kommentiert. Wir gehen jetzt offline. Wer Probleme oder Fragen hat, nutzt den Gruppenchat Nextcloud Talk. Ich werde ihn ab jetzt lesen und darauf reagieren. Um 14:30 treffen wir uns zum Ausklang im Meeting 14:30 Meeting: Hier habe ich eine Überraschung parat. Ich lasse den SuS über den Kalender einen Link zu einem Film (das Tiger Team) zukommen. Der Link verweist auf Nanoo.TV, unserer Filmdatenbank. Wir verabschieden uns mit dem Hinweis, dass sie ans Tagebuch denken sollen. Mittwoch 08:50 Ritual 09:30 Heute wollen wir mal der Frage nachgehen, was eigentlich ein Virus ist. Tragen wir mal unsere Vermutungen in einem neuen Padlet zusammen. Ihr findet den Link im Kalender. Wir verlassen also das Meeting und treffen uns wieder um 09:45. 09:45 Meeting: So, habt ihr was gelesen, das euch erstaunte oder das euch Fragen ausgelöst hat? Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir Faktenwissen zusammentragen. Ich blende euch nun einen Text aus „Was ist was“ ein. Diesen lesen wir gemeinsam. Wer will lesen? Bald ist Pause. Um 10:30 findet ihr in Seesaw eine Activity. Bitte lest diese und bearbeitet sie. Es geht um den Coronavirus. Ich denke, dass ihr mit der Activity spätestens um 11Uhr fertig seid. Schreibt anschliessend in euer Tagebuch. Denkt daran: Ende Woche möchte ich mal alle Tagebücher lesen. Ihr dürft auch heute um 11:30 mit Arbeiten aufhören und wir treffen uns morgen wieder, wie immer um 08:50 zum Meeting.
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Im Kanton Solothurn ist für Sitzungen pro Schulwoche ein Zeitgefäss von 90 Minuten kalkuliert. Je nach Schule wird unterschiedlich darüber verfügt, für Plenar-, Stufen- oder UT-Sitzungen (Unterrichts-Team), selten aber auch für individuelles Arbeiten. Häufig werden Sitzungen als ineffizient oder gar als Leerlauf betrachtet und oft gilt: Je grösser die Anzahl der Teilnehmenden, desto geringer die (Selbst)Wirksamkeit. Diese Wahrnehmung deckt sich vielfach auch heute noch und bestätigt das Parkinson‘sche Gesetz (C. Northcote Parkinson, 1955):
Seit 1 Jahr sind wir im 1:1 iPad -Setting an 4 Klassen der 5. Primarschule. Nebst den Schülerinnen und Schüler haben auch sämtliche Lehrpersonen, welche diese SuS unterrichten, ein personalisiertes iPad. So blicken wir auf ein Schuljahr zurück, in dem sich die Art und Weise unseres Lehrens und Lernens stark verändert hat (siehe frühere Posts).
Digitale Bücher Nun planten wir die Lektüre „die schwarzen Brüder“ als digitales Buch zu kaufen und auf die 80 iPads zu verteilen. So nahm ich mit unserem IT-Second-Level-Support Kintakt auf und liess mir erklären, wie die Distribution in unserem Mobile Device Management funktioniert. Handelt es sich um ein eBook aus dem AppleStore, kann dies problemlos mehrfach gekauft und einmalig auf die iPads verteilt werden. Schade, sage ich, ich dachte, man könne die eBücher analog den Apps, zu einem späteren Zeitpunkt von den iPads zurücknehmen und auf andere iPads verteilen. Leider nein, die Bücher werden einmalig und eindeutig zugeordnet. Alle anderen eBooks im ePub Format lassen sich technisch problemlos verteilen. Der Downloadlink lässt es sogar zu, das eBook in einem kopierbaren Format zu speichern und zu duplizieren. Dieses illegale Vorgehen kommt für uns jedoch nicht in Frage, vor allem auch nicht, da wir auf dem Weg zu einer zertifizierten Profilschule Informatische Bildung sind. Der Beginn einer Odyssee Also nahm ich mit exlibris telefonisch Kontakt auf, wurde intern an die für eBücher zuständige Person weitergeleitet und bekam eine negative Antwort. Nein, sie können keine Mehrfachlizenzen verkaufen, dazu müsste ich wohl mit dem Verlag Orell Füssli Kontakt aufnehmen. Nun dachte ich, ich versuche es vorerst bei Lüthy-Balmer-Stocker, ebenfalls einem Giganten auf dem Schweizer Buchmarkt. Ich sei mit der Abteilung für Privatkunden verbunden und müsse die Abteilung für Schulen, Bibliotheken und Verlage anrufen. Konsterniert darüber, dass ich nicht intern verbunden wurde, rief ich die entsprechende Nummer an. Eine sehr gute Frage Freundlich wurde mir bestätigt, dass meine Frage, ob ich 80 Einzellizenzen oder eine Mehrfachlizenz des eBüches kaufen könne, um dies über das MDM an die personalisierten iPads zu verteilen, eine sehr gute Frage sei. Der Mitarbeiter kläre dies intern ab und rufe zurück, was er eine halbe Stunde später auch tat. Leider könne Lüthy-Stocker-Balmer dies nicht, ich müsse direkt mit Orell-Füssli verhandeln. Also doch. Verlag schottet sich ab Bei Orell-Füssli war der zuständige Mitarbeiter leider und erstaunlicherweise gerade nicht an seinem Arbeitsplatz und ich wurde gebeten, in 20 Minuten noch einmal anzurufen. Langsam wurde ich ärgerlich, man könnte diesem Mitarbeiter doch meine Nummer hinterlegen, auf dass er zurückriefe. Trotzdem bedankte ich mich freundlich wie immer und rief später noch einmal an. Diesmal war er für mich da. Wieder erläuterte ich meine Herausforderung, ein eBuch 80 Mal kaufen zu wollen. Mittlerweile traute ich mich nur noch zu fragen, ob das gehe und ob ich ggf. einen Preisnachlass erhalte. Ja, das war (wiederum) eine gute Frage, die er intern klären wolle und zurückriefe. 1 Stunde später der Rückruf. Sie können mir nicht weiterhelfen, seien an die Vorgaben des Verlages gebunden. Doch werde er beim Sauerländer-Verlag nachfragen. Leider könne selbst er den Verlag nicht telefonisch kontaktieren, der „schotte“ sich ab. Doch werde er umgehend eine Email schreiben und mich alsbald informieren. Zurück auf Feld Anno 1540 Bereits am Folgetag bekam ich dann die mittlerweile befürchtete Antwort. Selbst der Sauerländer-Verlag kann keine Mehrfach-Lizenzen verkaufen. Es bleibe mir nichts anderes übrig, als dass wir auf jedem iPad das Buch einzeln kaufen würden. Einen Preisnachlass gibt es leider auch nicht. Er bedaure es sehr. Ich noch mehr, bedankte mich für seine Bemühungen und beendete meine Recherchen konsterniert. Was tun? Nun, dann kaufen wir die Bücher halt in gedruckter Form, ist ja pädagogisch auch wertvoll, Literatur in Form von Papier und Druckerschwärze riechen zu können. Keine Chance Wieder exlibris, dann Lüthy-Balmer-Stocker und dann Buchzentrum Hägendorf. Nein, wirklich: Das Buch sei vergriffen und frühestens ab 25, September lieferbar. Letzte Chance, doch ich Dummerchen, hätte ich doch gleich zu Beginn daran gedacht. Bibliomedia, Zentrale für Kassenlektüre! Doch nein, erstens haben sie dieses Buch nicht im Verleih und sowieso, 80 Exemplare erst recht nicht. Also wirklich. Soll jemand sagen, ich hätte mich nicht bemüht. Bleibt aber die Frage: Bin ich der Erste, der ein digitales Buch für eine Schule 80 Mal kaufen und verteilen will? Prolog - Kurzer Rückblick
Seit 2003 bin ich Praxislehrer der FHNW. Bis 2010 auch für HEPBEJUNE. Während diesen 15 Jahren veränderte sich die Professionalisierung zum Lehrerberuf wohl ähnlich heftig, wie mein Unterrichten selbst, wenn auch auf ganz andere Weise. Während vor 15 Jahren noch Generalisten aus der Pädagogischen Hochschule ins Berufsleben entlassen wurden, sind es heute Spezialistinnen, die in ihrem Studium Schwerpunkte in Wahlangeboten setzen mussten und ganze Fachbereiche abwählen mussten. Ich will das nicht werten, das hat bestimmt auch seine Vorteile. Während vor 15 Jahren ich mit meinen SuS für einzelne Sequenzen in den Computerraum ging, um sie dort vor allem mit Lernprogrammen ab CD-Rom arbeiten zu lassen, hat heute jede Schülerin / jeder Schüler sein personalisiertes iPad. Das hingegen will ich werten, das ist grundsätzlich nicht nur richtig, sondern notwendig (aber darüber vielleicht ein anderes Mal ausführlicher). Praktikantin und ihre Technik Nun kam eine Studentin der FHNW während 3 Wochen als Praktikantin ins Basispraktikum P1 in meine Klasse. Das Coplanning im Voraus zum Praktikumsstart mit Pages funktionierte nicht, da die Praktikantin keinen Mac hatte. Hingegen funktionierte es grundsätzlich mit Word, da auch hier das Dokument zur Bearbeitung freigegeben werden konnte. Leider brachte die Studentin einen veralteten Computer mit. Nachdem mit Verlängerungskabel der Strom zum Arbeitstisch gezogen war - der Akku ihres Laptops ist schon lange kaputt - dauerte es gefühlte 10 Minuten bis der Computer gestartet war, bei der FHNW eingeloggt, das Word gestartet und das Virenschutzprogramm abgewürgt war, ebenso die Microsoft Updates, welche wohl schon seit Wochen darauf warteten, ausgeführt zu werden. Immerhin hatte sich der Laptop zu Beginn problemlos mit dem Internet unserer Schule verbunden. Schliesslich war die Technik endlich bereit, die Email mit meiner „Einladung“ zur Kollaboration mit der Planungsmappe im Word zu öffnen. Dummerweise öffnete die Studentin meine Email, welche ich ihr bereits vor 2 Wochen schickte, bis dato noch noch nicht und die Suche in ihrer chaotischen Email-Struktur war nicht gerade förderlich für ein schnelles Finden. Kommt hinzu, dass die Studentin die Computermaus zu Hause vergessen hatte und sich der Trackpad zickig zeigte - „es ist halt ein alter Computer“. Ich merkte, dass die Studentin sich nicht mit Shortcuts auskennt, was das Kopieren, Ausschneiden und Einsetzen zu einer feinmotorischen Fingerübung auf dem kaputten Trackpad machte. Schliesslich war wir technisch fürs Coplanning bereit. Praktikantin betritt Neuland Das iPad ist für die Studentin komplettes Neuland. So fehlten ihr die Anwendungskompetenzen und es zeichnete sich ab, dass sie in den kommenden 3 Wochen diesbezüglich viel zu lernen haben würde, geschweige denn, die diversen Apps kennen zu lernen. Mir wurde klar, dass es ihr im besten Falle ansatzweise gelinge wird. Meine SuS schrieben ein Lernjournal in Seesaw, Arbeitsprotokolle mit Fotos und Filmaufnahmen in Pages, Lernprogramme in Mathematik, usw. Noch schwieriger wurde es für meine Praktikantin, die webbasierten Applikation kennen zu lernen, welche ein persönliches Login brauchen, wie Antolin, Mindsteps, eWolke, usw., da sie dazu keinen Zugang hatte. Als weiteres Hindernis waren die von mir gekauften Lizenzen digitaler Lehrmittel, z.B. beim Lehrmittelverlag Zürich. So hatte ich das Lehrermaterial von NaTech und Connected nur in digitaler Form, und nur mit persönlichem Login zur Verfügung. Sollte ich ihr meine Login-Daten aushändigen? Schlechte Idee, zumal ich Administrator unserer Schule bin, da mochte ich sie nicht reinlassen. Das erschwerte ihre Unterrichtsvorbereitungen und unser Coplanning sehr. Fazit Mit diesem Resüme geht es mir nicht darum, meine Praktikantin zu kritisieren, sie machte ihre Sache soweit gut. Vielmehr wollte ich aufzeigen, welche Stolpersteine die digitale Transformation innerhalb meines Arbeitsumfeldes in Bezug auf meine Tätigkeit als Praxislehrer der FHNW mit sich bringt. Ich bin u.a. ein Apple Teacher, praktiziere einen mediengestützten Unterricht in einem 1:1 Setting und merke, dass es für meine Studentinnen und Studenten zunehmend schwieriger wird, in meiner Klasse ohne meinen „technischen“ Support zu unterrichten. Es zeigte sich auch, dass an unserer Schule die Mittel fehlen, Praktikantinnen und Praktikanten technisch adäquat der Klassenlehrperson auszustatten, um ihnen ein autonomes Unterrichten zu ermöglichen. Meine Schule ist auf dem Weg zu einer „Profilschule Informatische Bildung“, heisst, die digitale Transformation schreitet voran. Wollen wir auch künftig Praxisplätze anbieten können, müssen wir diesbezügliche Lösungen parat haben. Es bleibt auch abzuklären, ob es der Fachhochschule in Zusammenarbeit mit Imedias künftig möglich ist, bei Bedarf die Studentinnen und Studenten für die Zeit ihres Praktikums mit den notwendigen Devices auszustatten. Und nicht zuletzt: Die Fachhochschulen müssen Basiskompetenzen im Bereich neuer Medien voraussetzen, in den Professuren selbst ihre eigene Methodik und Didaktik mit den digitalen Möglichkeiten vorbildlich ergänzen, im Transfer von der Theorie zur Praxis mögliche Szenarien aufzeigen und diese durch die Studentinnen und Studenten weiter entwickeln lassen. Digitale Transformation - Ein Prozess beschleunigt sich In den vergangenen Tagen las ich einiges über digitale Transformation. Kurz zusammengefasst: Wir leben gegenwärtig in einer Zeit, in der digitale Technologien sich wesentlich auf Unternehmen, Wissenschaft, Staat, sowie Individuen und Gemeinschaften auswirken. Die Auswirkungen sind genügend gross, so dass diese nicht nur wahrgenommen werden, sondern auch sichtbar sind. Somit können wir von wesentlichen Veränderungen sprechen. Diese Veränderungen - zum Beispiel im Lehren und Lernen - werden spätestens seit dem Lehrplan 21 vom Staat (oder zumindest von den Kantonen) gefordert. Die Schulen stehen nun nicht nur mit dem Fachbereich Medien und Informatik in der Verpflichtung, den Unterricht derart neu zu gestalten, dass die im LP21 verschrifteten Kompetenzen relevant werden, sondern müssen die gesamte Konzeption des Lehrens und Lernens überdenken und neu gestalten. Somit unterstützt die Volksschule mit ihrem Lehrplan die digitale Transformation. Mehr noch: Sie fordert diese geradezu und ist somit ein wesentlicher Akteur in der Beschleunigung dieses Prozesses. Das ist per se weder gut noch schlecht, sondern eine Tatsache, welche aus einer wirtschaftlichen Notwendigkeit resultiert. Das Dagstuhl-Dreieck Anlässlich eines Seminars der Gesellschaft für Informatik im Jahre 2016 auf Schloss Dagstuhl kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einer gemeinsamen Erklärung, der sogenannten Dagstuhl-Erklärung: Bildung in einer digitalen vernetzten Welt. Dabei wurde folgendes festgehalten (https://gi.de/themen/beitrag/dagstuhl-erklaerung-bildung-in-der-digital-vernetzten-welt-1/):
In der Praxis Interessant wird es, wenn sich Theorie und Praxis synthetisieren. Mit dem Lehrplan 21 wurde Punkt 2 der Dagstuhl-Erklärung umgesetzt. Seit meinen SuS allen ihr personalisiertes iPad zur Verfügung stehen (1:1), stelle ich zudem eine Beschleunigung der Digitalen Transformation fest, und zwar in allen Perspektiven. Die SuS zeigen ein echtes Interesse in der Technologischen Perspektive (Herr Kohler, wie funktioniert ein Touchscreen?), in der Gesellschaftlich-kulturellen Perspektive (Herr Kohler, wie finden Sie mich als Reporterin (SuS machten auf der Strasse mit iPad Interviews zum Thema „Müll“ und filmten diese)) und in der Anwendungsorientierten Perspektive (Herr Kohler, ich mache eine Foto davon, löse es zuerst auf dem iPad und übertrage es dann ins Heft - siehe Foto). Maria Montessori gründete um 1900 ihre Pädagogik auf ihre Erkenntnisse bezüglich sensibler Phasen im Prozess des Menschwerdens. Im übertragenen Sinne stelle ich fest, dass das permanente Vorhandensein des iPads im Lehr- und Lernprozess in den SuS den Wunder weckt. Ihre intrinsische Motivation lässt sie die relevanten Fragen stellen, nach deren Antworten es sie gelüstet. Medien- und Informatische Bildung ist meines Erachtens kaum möglich, ohne dass digitale Geräte permanent zur Verfügung stehen. Denn Schwimmen lernt man nicht ohne Wasser, Skifahren nicht ohne Schnee, und digitale Bildung nicht ohne digitale Geräte. Die Lernenden und die Lehrenden „sollen dazu befähigt werden, selbstbestimmt mit digitalen Systemen umzugehen“ (Dagstuhl-Erklärung: Bildung in einer digitalen vernetzten Welt, S.2). Und diese Selbstbestimmung bedingt die ungefragte Verfügbarkeit eines Tablets oder Computers. Nur so sind die Punkte 3 und 4 der Dagstuhl-Erklärung umsetzbar. Und gerade diese Punkte 3 und 4 sind sind ein bildungspolitischer Auftrag an die Kommunalen Behörden (strategische Ebene), welche die Ressourcen zur Umsetzung der strategischen Planung (Medien- und Informatikkonzept der Schule) bewillegen. Nur so können die Lehrerinnen und Lehrer die Punkte 3 & 4 der Dagstuhl-Erklärung erfüllen. In der Ausbildung Im Punkt 5b fordert die Dagstuhl-Erklärung die Fachdidaktiken auf, Konzepte für Digitale Bildung weiterzuentwickeln. Als Praxislehrer der FHNW warte ich seit 2003 darauf, dass die Studentinnen und Studenten der FHNW solche Konzepte gelehrt bekommen. Leider hat sich diesbezüglich noch kaum etwas getan. Die Studentinnen und Studenten bringen heute im Gegensatz zu 2003 allesamt genügende bis gute Anwendungskompetenzen in den Programmen des Office-Paketes mit. Dieses haben sie sich jedoch selbst angeeignet. Anwendungskompetenzen am iPad sind dürftig und Unterrichtskonzepte oder Szenarien fehlen nach wie vor. Dieser Schüler will es richtig machen, er will es gut machen. Diese intrinsische Motivation macht ihn erfinderisch. Er nutzt sein Tablet spontan kreativ und zeigt damit seine Handlungskompetenz (Anwendungsorientierte Perspektive). „Herr Kohler, ich machte eine Foto und zeichne es erst am iPad. Hier kann ich ganz einfach korrigieren und wenn es dann stimmt, zeichne ich es ins Heft.“
Ausgangslage:
Meine Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse sind es sich nach 12 Wochen Lernen mit personalisiertem iPad schon fast gewohnt, Lernerkenntnisse im digitalen Lernjournal mittels Text, Bild, Audio- und Videoaufnahmen festzuhalten. Im Anschluss an eine Exkursion liess ich bislang meine Schülerinnen und Schüler einen Erlebnistext schreiben. Während ich dabei verschiedene Kompetenzen (ist das Erlebnis chronologisch und nachvollziehbar berichtet, wie detailliert wird geschildert, usw.) beurteilte, hing schliesslich die Qualität des Produkte mehr oder wenige einzig von der Schreibkompetenz ab. Wenn eine Schülerin / ein Schüler die Abläufe noch so gut erzählen kann, sie / er jedoch z.B. auf Grund feinmotorischer Probleme ein langsames Schreibtempo hat, kann der Bericht nicht gut werden. Zeit also, Erleb-nisberichte und erlebte Vorgänge auch einmal so festhalten zu lassen, dass andere Kompetenzen gefordert und gefördert werden. Wir besuchten als Schulklasse die Abfallverbrennungsanlage. Während der Exkursion machte ich von den wichtigsten „Stationen“ Fotos. Da ich den Fokus beim folgenden Lernszenario nicht allzu sehr auf Erweiterung der Anwendungskompetenzen bei den Schülerinnen und Schüler legen wollte, erstellte ich im Anschluss mit 10 Fotos in iMovie selber einen Bildfilm. Jedes Bild ergänzte ich mit 1 bis 3 Begriffen und unterlegte den Film mit einer Musik. Prüfungs- und Lernaufgaben: Die Lernenden hatten nun 30 Minuten Zeit, zur vorgegebenen Bilderserie in iMovie eine Reportage zu sprechen (iMovie). Dabei mussten sie die zuvor besprochenen Beurteilungskriterien berücksichtigen (siehe unten). Die Schülerinnen und Schüler durften sich ihren Lernort im Klassenzimmer oder in den Schulhausgängen selber wählen und auch, ob sie alleine, zu zweit oder in Gruppen arbeiten wollten (siehe Bild). Die Prüfungsaufgabe wurde so gestellt: Erläutere die Abläufe und den Sinn der ERZO in Oftringen. Ausgangslage: Du erhältst ein iMovieProjekt über unsere Exkursion zur ERZO in Oftringen. Die Bilder sind bereits in der richtigen Reihenfolge und haben Untertitel. Ebenso ist eine Musik eingespielt. Die Reihenfolge und die Musik solltest du nicht verändern. Hingegen musst du am Schluss die Länge der Bilder an deinen gesprochenen Text anpassen. Ziel: Der Film ist am Schluss mit deiner Sprechstimme ergänzt. Du gibst zu den Bildern möglichst viele Informationen, möglichst alles was du zu den Bildern weisst und achtest darauf, dass die eingeblendeten Begriffe vorkommen. Das fertige Projekt sicherst du als Film und lädst es in Seesaw ins Journal. Zeitbudget: Nach 30 Minuten musst du hochladen, auch wenn du noch nicht fertig bist! Du bekommst später Zeit zum fertig machen, es wird dir jedoch einen halben Notenpunkt abgezogen.
Fazit: Das iPad ermöglicht das Repetoire an „Prüfungszenarien“ zu erweitern. Prüfungen verändern sich hin zu Aufgaben, deren Resultate als Leistungsbelege verwendet werden können. Dabei achte ich darauf, dass solche Aufgaben die Kollaboration zulassen. Wissen aus dem Internet und Hilfe aus der Lerngruppe sollen nicht nur erlaubt sein, sondern erwünscht. Auf diese Weise wird die „Prüfungszeit“ zur „Lernzeit. Sich Hilfe holen können und sich helfen lassen wollen sind zentrale Kompetenzen im Bewältigen von anspruchsvollen Aufgaben, ebenso die Kompetenz, sein Wissen und Können anderen weiterzugeben. Neues Lernsetting
Das SAMR Modell von Ruben Puentedura zeigt auf, dass das Potential neuer Medien (in meinem Sinne: iPads) im Bildungsbereich dahingehend genutzt werden will, dass Lernaufgaben neu definiert werden. Uns Lehrpersonen fehlt es jedoch zu Beginn, iPads auf diese Weise im Unterricht einzusetzen, denn das Hindernis liegt schon darin, dass wir unseren Unterricht nach bisherigem Schema planen. Heisst: Wir behandeln ein vorbereitetes Thema und suchen eine passende App dazu. So wird der Einsatz des iPads zwangsläufig ein Ersatz bisheriger Medien, also an Stelle von Papier, Profax, LÜK, Lernprogramme u.ä. wird jetzt mittels einer App am iPad geübt. Auch wird das iPad zum Texten verwendet, denn da kann man auch Bilder schön anordnen. Diese Erweiterung der Möglichkeiten ist per se nicht schlecht, doch bleibt die Unterrichtsentwicklung stecken, denn die Lernenden entdecken dabei nichts Neues, sondern machen Bisheriges bloss anders. Das Lernsetting muss also neu gedacht werden. Wir gehen nicht von einem (Lern-) Ziel aus, sondern von einem Problem oder von einer Fragestellung. Antworten zu finden wird somit zum Ziel. Dabei nutzen die Lernenden das iPad fürs Filmen, Fotografieren, Interviewen, Sammeln von Erkenntnissen, Recherchieren, Präsentieren, Austauschen, Zusammenarbeiten, usw. So ist das iPad das Hilfsmittel. Die Fragestellungen, wir nennen diese „Forscherfragen“, müssen zwingend viele Antwortmöglichkeiten offen lassen, welche selbst uns Lehrpersonen im Voraus nicht zwingend bekannt sein müssen. Ist die Forscherfrage formuliert, gilt es eine oder mehrere Antwort(en) als Vermutung zu formulieren. Diese wird/werden im Arbeitsprozess nach und nach verworfen, bestätigt oder um weitere mögliche Antworten erweitert. Dieses Explorieren ist der wichtigste Teil und beansprucht den grössten Zeitbedarf. Dabei arbeiten die SuS je nach Setting alleine oder in Gruppen, schauen sich über die Schultern, tauschen sich aus und unterstützen sich gegenseitig. Dabei werden von den Lernenden Selbst- und Sozialkompetenzen gefordert und gefördert. Die Lehrpersonen sind in dieser Phase Lernbegleiter, steuern und koordinieren ggf. Arbeitsprozesse und ermöglichen vielfältige Lernerfahrungen. Sie beobachten und wirken mittels Gespräche und Diskussionen in den Prozess ein und ganz wichtig: Zeigen echtes Interesse am Prozess. Ein solcher Unterricht kann im weitesten Sinne ein challenged based learning oder project based learning sein, was teilweise recht zeitaufwändig sein kann. Weniger aufwändig ist es meines Erachtens, wenn wir von problem based learning ausgehen. Wie auch immer: Ein solches Lernsetting gestaltet das Lernen neu, die Lernenden werden zwangsläufig zu Akteuren, die Lernerfahrungen werden intensiver und nachhaltiger. Der „Unterricht“ wird anspruchsvoller und spannender, ohne die Lernenden zu überfordern, weil das Niveau ihrer Arbeit durch die Lernenden selber bestimmt wird. Dieses Lehr- und Lernverhalten müssen wir Lehrpersonen wie unsere Lernenden üben und lernen. 6 Pädagogische Grundkonzepte Ein solches Lernsetting orientiert sich an 6 pädagogischen Grundkonzepten, nach denen wir unsere methodischen und didaktischen Überlegungen ausrichten.
Wir Lehrpersonen müssen unseren Unterricht also neu gestalten. Nebst der Ziel- und Kompetenzorientierung gemäss Lehrplan 21 berücksichtigen wir die 6 pädagogischen Grundkonzepte in Verbindung mit dem SAMR-Modell. Werden diese all diese Aspekte berücksichtigt, kann kompetenzorientierter Unterricht gelingen. Nicht sofort und nicht im kompletten Unterricht. Aber Schritt für Schritt, erst Ansatzweise, dann immer häufiger. Mit der Bildschirmzeit überblicken wir jeweils zum Wochenbeginn unsere Bildschirmzeit. Dabei spreche ich mit den SuS darüber, wie diese zustande kam. Mir ist wichtig, dass ich die Nutzungsdauer nicht werte, viele Minuten sind ebenso wenig gut oder schlecht wie wenige Minuten. Wichtiger ist mir, dass die SuS ein Bewusstsein entwicklen, was "Bildschirme" mit uns machen.
Erstaunt war ich darüber, dass ein Kind eine tägliche durchschnittliche Bildschirmzeit von 160 Minuten hatte. Mit diesem Kind suchte ich das Gespräch und schaute mit ihm gemeinsam den Verlauf an. Die Hälfte dieser Zeit war das Kind im Youtube. Es sagte mir und ich sah es auch, dass es sich mit dem gegenwärtigen Unterrichtsthema Abfall intensiv auseinandersetzte, ebenso auch mit Fortnite, denn zu beiden Themen wollte es ein Kahoot! erstellen. Dieses Kind verbrachte also auch viele aktive und kreative Momente vor dem Bildschirm. Als ich heute am Fotokopierer stand, stellte ich verwundert fest, dass ich für meinen Unterricht seit mehr als 7 Tage keine Kopien gemacht habe. Wie kommt das?
Weil alle meine SuS über ein persönliches iPad verfügen, nutze ich die Möglichkeit, Inhalte per Airdrop auf die iPad der SuS zu verteilen. Einige Beispiele: Elternschreiben werden wie bisher in die Kontaktmappe eingetragen, aber nur mit Titel und Datum, welches die Eltern zu signieren haben. Das Schreiben lagert in der Cloud (bei uns ist es die eWolke), im Hausaufgabenkalender der App iCal (ich verwalte den Kalender, meine SuS abonnierten den Kalender und haben nur Lese-Rechte) ist der Link dazu. Meine SuS müssen also den Eltern das iPad zum Lesen des Elternschreibens hinhalten. Unser Liederheft, wie auch unsere Noten fürs Mundharmonika-Spielen finden sich als pdf in der App Bücher. Hier können die SuS auch Annotationen machen. So stehen meine SuS im Singkreis mit dem iPad in den Händen ums Klavier. Mundharmonika spielen geht jedoch besser am Pult, da keine Hand frei ist, das iPad zu halten. Ähnlich arbeiten wir aktuell zu den Bundesrats-Ersatzwahlen. Das pdf-Dossier dazu kauften wir bei frischabpresse.ch, airdroppten es auf sämtliche iPads in die App Bücher und ergänzen es mit selbst erstellten Fragespiele in der App Kahoot! Ganz grundsätzlich mussten wir uns daran gewöhnen, zuerst zu überlegen, ob kopieren Sinn macht, oder aber es nicht anders geht. Und es geht oft anders. Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass ich andere Mittel brauche, um den Überblick der Schülerarbeiten behalten zu können. Hier hilft mir das digitale Lernjournal von Seesaw. Das klappt ganz gut, doch warte ich darauf, bis die App Schoolwork einwandfrei funktioniert. Dies sei - laut Aussage unseres TICTS - noch nicht ganz gewährleistet. So überlege ich mir als nächstes, den Arbeitsplan im Fachbereich Deutsch digital als pdf zu verteilen. Als Pädagogischer Informations- und Communikationssupporter PICTS, als Apple Professional Learning Specialist und als Primarlehrer mit 30 Jahren Berufserfahrung als Klassenlehrer einer Sonderschulklasse schwerst erziehbarer Knaben im Kt. BL, als Klassenlehrer an einer AdL-Schule im Kt. AG, als Gesamtschullehrer im Kt. NW und als Klassenlehrer im Kt. SO bin ich beruflich nun da angelangt, wo ich seit 3 Dekaden hinzielte: Ich bin Klassenlehrer einer Klasse, in der jede Schülerin / jeder Schüler ihr / zum Lernen sein personalisiertes Gerät (iPad) überall zur Verfügung hat. Zeit, kurz inne zu halten und nachzudenken.
Wie hat sich mein Unterricht in einer 1:1 iPad Klasse innert 3 Monaten verändert? Die methodischen und didaktischen Überlegungen beim Planen des Unterrichts sind befreit von jeglichen Einschränkungen der Verfügbarkeit neuer Medien. Meine Schülerinnen und Schüler sind zusammen mit mir in einem total spannenden Prozess des Wandels. Täglich erweitern wir unsere Lehr- und Lernerfahrungen mit den Möglichkeiten, die uns die neuen Medien bieten. Meine Ab- sicht ist nicht, den Unterricht sofort komplett umzustellen, sondern nach und nach weiterzuentwi- ckeln mit der Vision, dass ich einst kaum mehr Lehrer sein werde, sondern Lernberater. Ich inter- pretiere den LP21 auch dahingehend, dass die Kompetenzorientierung die einstigen Sach- und Lernziele in den Hintergrund drängen. Dies bietet der Volksschule die Chance, den Unterricht (komplett) neu zu gestalten. Mit dem iPad bekommen die Schülerinnen und Schüler ein Medium, welches ihnen ermöglicht, ihr Lernen selber in die Hand zu nehmen. Meine 5. Klässlerinnen und Klässler müssen nun Lernen, mit diesen „Lernfreiheiten“ umzugehen. Dabei brauchen sie anfäng- lich meine enge Begleitung und gemeinsam reflektieren wir den sinnvollen Einsatz des iPads und merken: Das iPad hilft uns nicht immer per se, eine Aufgabe besser oder schneller lösen zu kön- nen. Damit solche Erfahrungen möglich sind, ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler zum Lösen ihrer Aufgabe(n) Medienfreiheit haben, d.h., sie entscheiden sich bewusst und selbst, mit welchen Mitteln - iPad oder Papier - eine Aufgabe gemacht werden will. Wie befreien wir uns vom Lernziel-orientierten Unterricht? Da sind die bisherigen Lehrmittel oft Stolpersteine. Lehrmittel sind nunmehr Hilfestellungen oder Hilfsmittel, die verlangten Kompetenzen zu erreichen. Mit dem LP21 wechselte ich (meine Schule) auch zentrale Lehr- und Lern-Leitmedien: Das bisherige Mathematik-Lehrmittel wurde in den Con- tainer geschmissen und durch ein in Bezug auf LP21 entwickeltes Lehrmittel ersetzt. Ebenso in den Fachbereichen Sprache und NMG. Ich erkannte, dass die „alten“ Lehrmittel zwar an LP21 angepasst wurden, doch etwas ging dabei vergessen: Wir Lehrpersonen haben mit den „alten“ Lehrmitteln Jahrzehnte lang gearbeitet, und so gelingt es uns mit diesen kaum, den Paradigma- wechsel des LP21 zu vollziehen. Wir bleiben in unseren „bewährten“ Unterrichtsvorbereitungen gefangen. Dasselbe stelle ich fest, wenn ich als Praxislehrer von Studentinnen und Studenten der FHNW im Coplaning zusammensitze. Wir Lehrpersonen sind geprägt durch unsere eigenen Schulerfahrungen als Schülerin / Schüler. Da braucht es eine Zäsur sie es durch einen äusseren Zwang oder besser aber durch einen tiefen Willen, sein Unterrichten neu zu gestalten. Neue Lehrmittel als Leitfaden und die Möglichkeiten des iPads schaffen mir nun eine beinahe ausge- wechselte Lernumgebung was mir hilft, neue Wege im Lehren und Lernen auszuprobieren. Lernen die Schülerinnen und Schüler nun besser? Diese Frage möchte ich so nicht beantworten, denn es ist eine falsche Fragestellung. Die Frage muss lauten: Lernen die Schülerinnen und Schüler lieber? Und dies kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Der Unterricht wird als lebendiger, abwechslungsreicher, interessanter und oft auch individueller wahrgenommen, weil das Lernen vermehrt in den Händen der Schülerin / des Schü- lers liegt. Selbsttätigkeit, Selbstständigkeit und Selbstkorrektur im Lernen geben den Lernenden Selbstbestimmung über ihr Lernen. Diese Autonomie ermöglicht auch, dass die / der Lernende „abschweift“. Die Schule bietet mit ihren Strukturen das notwendige lernförderliche Umfeld, un- terstützt die Lernenden dabei, sich auf die Arbeit zu fokussieren und lässt gleichzeitig zu, dass die Lernenden Wege einschlagen, die anfänglich nicht gedacht waren. Modifizierte und neudefinierte Aufgabenstellungen (siehe SAMR-Modell) lassen es nicht nur zu, sondern fördern und fordern ge- radezu andere Lösungswege. Nur noch am Screen? Nun, das iPad wird sehr häufig verwendet, zumal auf Kopien möglichst verzichtet wird und die Texte, Bilder (in Farbe) auf die iPads gedopt werden. Unser Notenheft fürs Mundharmonika-spie- len oder fürs Singen, Lösungsblätter für Mathe- oder Deutscharbeiten, Arbeitsblätter in NMG, El- ternbriefe, das Hausaufgabenheft und vieles mehr ist nun auf dem iPad. Die Gemeinschaft (Lehr- personen, Mitschülerinnen und Mitschüler) unterstützt das einzelne Schulkind durch Interaktion, Kooperation und erklärte Kritik an seiner Arbeit und in seinem Lernen erfreulicherweise häufiger und konkreter als zuvor. Das iPad hilft dabei, sich auf vielfältige Art mitzuteilen und das Lernen sichtbar zu machen: Durch Schreiben, Audioaufnahmen, Videoaufnahmen, Diktierfunktion, Zeich- nungen oder Fotografieren. Sich Mitteilen ist nun nicht mehr alleine an Schreibkompetenzen ge- bunden was viele Schülerinnen und Schüler als Befreiung wahrnehmen, was sich darin zeigt, dass sie sich z.B. im digitalen Lernjournal genauer, informativer und auch selbstkritischer äussern als zuvor auf Papier. So wird das iPad zum Medium, mit sich und seiner Mitwelt in Austausch zu kommen. Dies alles wird als spannend wahrgenommen, was den „gesunden“ jungen Menschen in seiner Neugierde weckt und motiviert. Und? Meine Schülerinnen und Schüler sind durchwegs positiv eingestellt, ebenso die Eltern, wenn letz- tere auch erst nach und nach erkennen, welches Potenzial zum Lernen in diesen Geräten steckt. Im Moment noch haben die Schülerinnen und Schüler 500g mehr Gewicht im Schulsack. Doch wir arbeiten daran, dass nach und nach Bücher aus der Lerntasche verschwinden, mit der Vision, dass nur noch das iPad und die Znünibox im Schulsack die Kinder auf dem Schulweg belasten. |
AutorDominik Kohler Archiv
October 2022
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