Als Pädagogischer Informations- und Communikationssupporter PICTS, als Apple Professional Learning Specialist und als Primarlehrer mit 30 Jahren Berufserfahrung als Klassenlehrer einer Sonderschulklasse schwerst erziehbarer Knaben im Kt. BL, als Klassenlehrer an einer AdL-Schule im Kt. AG, als Gesamtschullehrer im Kt. NW und als Klassenlehrer im Kt. SO bin ich beruflich nun da angelangt, wo ich seit 3 Dekaden hinzielte: Ich bin Klassenlehrer einer Klasse, in der jede Schülerin / jeder Schüler ihr / zum Lernen sein personalisiertes Gerät (iPad) überall zur Verfügung hat. Zeit, kurz inne zu halten und nachzudenken.
Wie hat sich mein Unterricht in einer 1:1 iPad Klasse innert 3 Monaten verändert? Die methodischen und didaktischen Überlegungen beim Planen des Unterrichts sind befreit von jeglichen Einschränkungen der Verfügbarkeit neuer Medien. Meine Schülerinnen und Schüler sind zusammen mit mir in einem total spannenden Prozess des Wandels. Täglich erweitern wir unsere Lehr- und Lernerfahrungen mit den Möglichkeiten, die uns die neuen Medien bieten. Meine Ab- sicht ist nicht, den Unterricht sofort komplett umzustellen, sondern nach und nach weiterzuentwi- ckeln mit der Vision, dass ich einst kaum mehr Lehrer sein werde, sondern Lernberater. Ich inter- pretiere den LP21 auch dahingehend, dass die Kompetenzorientierung die einstigen Sach- und Lernziele in den Hintergrund drängen. Dies bietet der Volksschule die Chance, den Unterricht (komplett) neu zu gestalten. Mit dem iPad bekommen die Schülerinnen und Schüler ein Medium, welches ihnen ermöglicht, ihr Lernen selber in die Hand zu nehmen. Meine 5. Klässlerinnen und Klässler müssen nun Lernen, mit diesen „Lernfreiheiten“ umzugehen. Dabei brauchen sie anfäng- lich meine enge Begleitung und gemeinsam reflektieren wir den sinnvollen Einsatz des iPads und merken: Das iPad hilft uns nicht immer per se, eine Aufgabe besser oder schneller lösen zu kön- nen. Damit solche Erfahrungen möglich sind, ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler zum Lösen ihrer Aufgabe(n) Medienfreiheit haben, d.h., sie entscheiden sich bewusst und selbst, mit welchen Mitteln - iPad oder Papier - eine Aufgabe gemacht werden will. Wie befreien wir uns vom Lernziel-orientierten Unterricht? Da sind die bisherigen Lehrmittel oft Stolpersteine. Lehrmittel sind nunmehr Hilfestellungen oder Hilfsmittel, die verlangten Kompetenzen zu erreichen. Mit dem LP21 wechselte ich (meine Schule) auch zentrale Lehr- und Lern-Leitmedien: Das bisherige Mathematik-Lehrmittel wurde in den Con- tainer geschmissen und durch ein in Bezug auf LP21 entwickeltes Lehrmittel ersetzt. Ebenso in den Fachbereichen Sprache und NMG. Ich erkannte, dass die „alten“ Lehrmittel zwar an LP21 angepasst wurden, doch etwas ging dabei vergessen: Wir Lehrpersonen haben mit den „alten“ Lehrmitteln Jahrzehnte lang gearbeitet, und so gelingt es uns mit diesen kaum, den Paradigma- wechsel des LP21 zu vollziehen. Wir bleiben in unseren „bewährten“ Unterrichtsvorbereitungen gefangen. Dasselbe stelle ich fest, wenn ich als Praxislehrer von Studentinnen und Studenten der FHNW im Coplaning zusammensitze. Wir Lehrpersonen sind geprägt durch unsere eigenen Schulerfahrungen als Schülerin / Schüler. Da braucht es eine Zäsur sie es durch einen äusseren Zwang oder besser aber durch einen tiefen Willen, sein Unterrichten neu zu gestalten. Neue Lehrmittel als Leitfaden und die Möglichkeiten des iPads schaffen mir nun eine beinahe ausge- wechselte Lernumgebung was mir hilft, neue Wege im Lehren und Lernen auszuprobieren. Lernen die Schülerinnen und Schüler nun besser? Diese Frage möchte ich so nicht beantworten, denn es ist eine falsche Fragestellung. Die Frage muss lauten: Lernen die Schülerinnen und Schüler lieber? Und dies kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Der Unterricht wird als lebendiger, abwechslungsreicher, interessanter und oft auch individueller wahrgenommen, weil das Lernen vermehrt in den Händen der Schülerin / des Schü- lers liegt. Selbsttätigkeit, Selbstständigkeit und Selbstkorrektur im Lernen geben den Lernenden Selbstbestimmung über ihr Lernen. Diese Autonomie ermöglicht auch, dass die / der Lernende „abschweift“. Die Schule bietet mit ihren Strukturen das notwendige lernförderliche Umfeld, un- terstützt die Lernenden dabei, sich auf die Arbeit zu fokussieren und lässt gleichzeitig zu, dass die Lernenden Wege einschlagen, die anfänglich nicht gedacht waren. Modifizierte und neudefinierte Aufgabenstellungen (siehe SAMR-Modell) lassen es nicht nur zu, sondern fördern und fordern ge- radezu andere Lösungswege. Nur noch am Screen? Nun, das iPad wird sehr häufig verwendet, zumal auf Kopien möglichst verzichtet wird und die Texte, Bilder (in Farbe) auf die iPads gedopt werden. Unser Notenheft fürs Mundharmonika-spie- len oder fürs Singen, Lösungsblätter für Mathe- oder Deutscharbeiten, Arbeitsblätter in NMG, El- ternbriefe, das Hausaufgabenheft und vieles mehr ist nun auf dem iPad. Die Gemeinschaft (Lehr- personen, Mitschülerinnen und Mitschüler) unterstützt das einzelne Schulkind durch Interaktion, Kooperation und erklärte Kritik an seiner Arbeit und in seinem Lernen erfreulicherweise häufiger und konkreter als zuvor. Das iPad hilft dabei, sich auf vielfältige Art mitzuteilen und das Lernen sichtbar zu machen: Durch Schreiben, Audioaufnahmen, Videoaufnahmen, Diktierfunktion, Zeich- nungen oder Fotografieren. Sich Mitteilen ist nun nicht mehr alleine an Schreibkompetenzen ge- bunden was viele Schülerinnen und Schüler als Befreiung wahrnehmen, was sich darin zeigt, dass sie sich z.B. im digitalen Lernjournal genauer, informativer und auch selbstkritischer äussern als zuvor auf Papier. So wird das iPad zum Medium, mit sich und seiner Mitwelt in Austausch zu kommen. Dies alles wird als spannend wahrgenommen, was den „gesunden“ jungen Menschen in seiner Neugierde weckt und motiviert. Und? Meine Schülerinnen und Schüler sind durchwegs positiv eingestellt, ebenso die Eltern, wenn letz- tere auch erst nach und nach erkennen, welches Potenzial zum Lernen in diesen Geräten steckt. Im Moment noch haben die Schülerinnen und Schüler 500g mehr Gewicht im Schulsack. Doch wir arbeiten daran, dass nach und nach Bücher aus der Lerntasche verschwinden, mit der Vision, dass nur noch das iPad und die Znünibox im Schulsack die Kinder auf dem Schulweg belasten.
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AutorDominik Kohler Archiv
October 2022
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